Gedenken an Helmut Sackers mit Ausstellungseröffnung
Am Montag, den 29. April 2019, findet um 14 Uhr im Soziokulturellen Zentrum ZORA e.V. in Kooperation mit der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt ein Gedenken an Helmut Sackers statt.
Mit der Veranstaltung soll an den gewaltsamen Tod des 60-Jährigen erinnert werden, der am 29. April 2000 von einem 29-jährigen Rechtsextremisten im Treppenhaus eines Halberstädter Plattenbaus erstochen wurde.
Im Rahmen der Gedenkveranstaltung wird die Ausstellung “Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen” der Friedrich-Ebert-Stiftung in den Räumlichkeiten der ZORA eröffnet. Im Länderranking der rechtsextremen Gewalt hält Sachsen-Anhalt einen Negativrekord und die höchste Quote rechtsextremer Gewalttaten in der Bundesrepublik. Die Ausstellung soll über Rechtsextremismus informieren und zu aktivem Engagement für Demokratie anregen.
Hintergrund:
Am 29. April 2000 rief Helmut Sackers die Polizei, weil sein Nachbar Andreas S. das Horst-Wessel-Lied hörte, das verbotene Kampflied der SA und die spätere Parteihymne der NSDAP. Nach dem Polizeieinsatz trafen die beiden Nachbarn noch zweimal im Treppenhaus aufeinander. Bei dem ersten Treffen fand ein lautstarker Wortwechsel statt. Nach einem weiteren Aufeinandertreffen war Helmut Sackers tot – verblutet. Mit gebrochenem Nasenbein, dank zwei gezielter Faustschläge ins Gesicht, und Stichverletzungen in den Unterschenkel, den Magen, die Brust und unterhalb der Achsel.
Der Angeklagte Andreas S. wurde im November 2000 nach nur drei Prozesstagen von der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Magdeburg freigesprochen. Die Richter folgten seiner Version, Sackers habe versucht, ihn die Kellertreppe hinunter zu stoßen, sodass er sich mit seinem Messer verteidigt habe. Eine Zeugin bestätigte Andreas S. Notwehrversion. Brisant: Besagte Zeugin war Andreas S. Freundin (jetzt Ehefrau), die unmittelbar nach der Tat der Polizei erklärt hatte, sie habe von der Situation auf der Treppe nichts mitbekommen, da sie in der Wohnung ihres Freundes gewartet habe.
Gänzlich ignoriert wurde während der Verhandlung der rechtsextremistische Hintergrund von Andreas S.. Nicht nur, dass er seit den frühen 1990ern zum Umfeld der neonazistischen Szene in Halberstadt gehörte, auch fand die Polizei bei der Durchsuchung seiner Wohnung mehr als 80 rechtsextremistische CDs, Videos mit Aufrufen zum Mord an politischen Gegnern und 90 neonazistische Propagandahefte. Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, Vertreter der Angehörigen Sackers, sieht hier den Schlüssel zu dem skandalträchtigen Gerichtsurteil. Nur durch die Ausklammerung der politischen Hintergründe, sei es dem Gericht gelungen, eine Notwehrsituation zu konstruieren. Es ist nicht der einzige Fall in den 1990er und frühen 2000er Jahren, bei dem eine sukzessive Entpolitisierung der Taten von Rechtsextremen erfolgt ist, berichtet die Amadeu Antonio Stiftung.
Auch in zweiter Instanz im Jahr 2005 vor dem Landgericht Halle wurde der Angeklagte freigesprochen, obwohl die Staatsanwaltschaft eine mehrjährige Haftstrafe für Andreas S. wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge gefordert hatte. „Nicht alles, was rechtlich nicht geahndet werden kann, ist auch ethisch erlaubt“ hieß es bei der Urteilsverkündung – Worte des Hohns in den Ohren der Angehörigen. Helmut Sackers wurde schließlich durch die vom Gericht anerkannte Version der Notwehr vom Opfer zum Täter stigmatisiert. Nachdem der Fall im Jahr 2012 einer erneuten Prüfung unterzogen wurde, hat das Innenministerium unter Innenminister Stahlknecht schließlich eine rechtsextreme Motivation bei dem Tötungsdelikt erkannt. Als Opfer rechter Gewalt könne Helmut Sackers allerdings nicht mehr anerkannt werden. Da der Täter freigesprochen wurde, liege im juristischen Sinne kein Verbrechen vor.